Belogradtschik, Klettern in Nordwesten Bulgarien

Autor: Mike Jäger

Klettern in Bulgarien, Bild 1
Die aus rotem Sandstein und Konglomeraten bestehenden Felsen von Belogradtschik im Nordwesten Bulgariens wirken wie eine in Stein gehauene Märchenwelt. Das Gebiet und das Gestein sind am ehesten vergleichbar mit Meteora in Griechenland, vielleicht sogar noch bizarrer und eigentümlicher. An den kecken Felsnadeln und kühn geformten Türmen von 30 bis 80m Höhe waren zwar schon 1969 Kletterer unterwegs gewesen, aber nur an wenigen Wegen. In dieser Erschließerphase wurden 47 Gipfel bestiegen, immerhin 6 Jahre bevor die ersten Gipfel Meteoras erobert wurden. Aber während Meteora internationale Berühmtheit in Kletterkreisen erlangte, waren die Felsen von Belogradtschik in Vergessenheit geraten. In den späteren Jahren erfolgten nur sporadische Besuche von Kletterern. Die Gesteinsqualität der Konglomeratfelsen hatte nicht den Ruf, die festeste zu sein. Doch vor 2 Jahren startete eine umfassende Erschließung des Gebietes. Jeweils im Frühling und im Herbst reiste ein kleiner Trupp sächsischer Kletterer nach Bulgarien. Mittlerweile sind etwa 250 Türme bestiegen, scheinbar unendlich sind die weiteren Möglichkeiten, Neuland ist noch reichlich vorhanden, auch noch einige unbestiegene Gipfel. Jedenfalls kann es nicht schaden, im Klettergepäck auch Bohrmaschine, Haken, Gipfelbuchkapseln und Abseilringe zu haben.

Ähnlich wie im Kieselgestein Meteoras ist auch der Kletterstil in Belogradtschik. Einige Aufstiege besitzen kühne Absicherung sächsischer Prägung, andere sind reichlich mit Bohrhaken bestückt. Manche Routen erhielten wegen der ursprünglichen Brüchigkeit viele Bohrhaken. Aber mittlerweile sind durch zahlreiche Besteigungen alle lockeren Steine abgeklettert und mancher Kletterweg im jetzigen Zustand fast übersichert. Aus diesem Grund mussten auch schon einige Schwierigkeitsangaben nach unten korrigiert werden.
Die Kletterei erscheint abwechslungsreicher als in Meteora, weil das Sandsteinkonglomerat stärker strukturiert ist und sich somit die Kletterei nicht nur an Kieseln abspielt. Es gibt auch noch eine weitere Parallele zum Klettergebiet Meteora. So wie dort die Kletterei an den Klosterbergen tabu ist, darf auch in Belogradtschik nicht an den Felsen der Festung geklettert werden.

Klettern in Bulgarien, Bild 2
Abwechslungsreichtum ist kennzeichnend für das ganze Land Bulgarien. Das Brückenland zwischen Asien und Europa hat für Mitteleuropäer einige Ungewöhnlichkeiten zu bieten. Mit der aus dem Griechischen abgeleiteten und in Bulgarien geschaffenen kyrillische Schrift ist der Besucher erst einmal vor Rätsel gestellt. Bei der Einreise ins Land schauen wir am ersten Abzweig verblüfft aufs Straßenschild in kyrillischen Buchstaben. Doch nach einiger Zeit kommt die verblasste Erinnerung an damals unwillig gelerntes Russisch wieder und wir verstehen: Sofia – das ist genau unsere Richtung!
Die Grenze hatten wir von Rumänien kommend bei Kalafat mit der Fähre über die Donau passiert. Ein Erlebnis! Die angenehmere, bequemere Art der Einreise ist über die serbische Autobahn bzw. per Flieger. An internationalen Straßen, Flugplätzen und Touristenorten sind die Bezeichnungen auch in lateinischer Schrift angegeben.

Nachdem in den 90er Jahren der Tourismus in Belogradtschik eingebrochen war, erholt sich der Ort in jüngster Zeit. Übernachtungsmöglichkeiten (Hotel, Pensionen und Privatquartiere) sind reichlich vorhanden. Auch einen Zeltplatz gibt es. Dieser war zwar bei unserem letzten Besuch noch etwas verlassen, aber es ist abzusehen, dass sich durch die Attraktivität des Klettergebietes in Zukunft Belogradtschik zum Meteora Bulgariens entwickeln wird und so auch der Tourismus profitiert. Auch Biwakieren wird toleriert. Überall im Klettergebiet gibt es schöne Plätze mit Quellen.
Überhaupt ist die Stadt Belogradtschik mit mehreren Restaurants und ausreichend Einkaufsmöglichkeiten ausgestattet. Apotheke, Postamt, Bank und Geldautomat sind vorhanden. Auch Ersatz für den eventuell abgebrochenen Bohrer gibt es im Werkzeugladen vor Ort.

Klettern in Bulgarien, Bild 3
Im kleinen Dorfladen oder in der Kneipe können wir uns mittlerweile gut verständlich machen. Grundlegende Begriffe wie Brot und Bier kann ich aussprechen und die Mimik der Leute ist nun auch verstehbar. Die Bulgaren setzen für Ja und Nein eine für uns völlig gegensätzliche Körpersprache ein. So war ich beim erstmaligen Einkaufen völlig perplex, als die Verkäuferin auf meine Frage, ob es Brot zu kaufen gibt, mit intensivem Kopfschütteln reagiert, mir aber gleichzeitig das Gewünschte reicht.
Ein andermal hatte mich eine junge bulgarische Kletterin gefragt, ob ich die von ihr gestiegene Route auch noch tope-robe gesichert klettern möchte. Auf mein Kopfnicken hin, zog sie kurzerhand das Seil ab.

Diejenigen, die es mögen in sächsischer Manier auf Gipfel zu steigen und mit der Kieselkletterei in Meteora zurechtkommen, werden sich garantiert auch in Belogradtschik wohlfühlen. Die bulgarischen Kletterer begrüßen jedenfalls die Entwicklung und sind aufgeschlossen für das Gebiet prägenden Charakter, wie Erschließung der Kletterwege von unten, sparsamer Einsatz von Bohrhaken und keine Verwendung von Magnesia.

Belogradtschik – Info

Anreise
Auto: Prag-Brno-Bratislava-Budapest-Szeged-Belgrad-Paracin-Zajecar-Oschane-Belogradschik
Flugzeug bis Sofia, dann Zugfahrt (3 x täglich) bis Oreschetz und mit dem Taxi nach Belogradschik.
Oder mit dem Bus (1 x am Tag) direkt nach Belogradschik.

Jahreszeiten und Wetter
Das Wetter ist vergleichbar mit den Bedingungen in Meteora – Griechenland. Die beste Zeit ist zwischen Ende März bis Ende Mai und zwischen Mitte September und Ende Oktober. Im Winter kann durchaus Schnee liegen. Im Sommer ist es zu heiß zum Klettern.

Geld
2 Lewa entsprechen etwa einem Euro. Tauschen kann man an der Grenze oder an jeder Bank, z.B. in Belogradschik.

Unterkunft
Hotels, Pensionen, und private Unterkünfte stehen ausreichend zur Verfügung. Es gibt auch einen Zeltplatz. Biwakieren auf den Wiesen mit Quellen in der Nähe der Felsen wird toleriert.

Verpflegung
Das Essen in den Restaurants ist preiswert. Bier 1 Lewa, Gerichte zwischen 3 und 8 Lewa. Lebensmittelgeschäfte gibt es im Ort.

Ausrüstung
Einfachseil ist ausreichend. Im Gegensatz zu Meteore sind die Gipfel nicht ganz so hoch, dass man ein Doppelseil benötigt. Ein Helm ist notwendig, weiter einige Bandschlingen und ein kleines Sortiment an Keilen und Friends.
Erstbegeher sollten neben ausreichend Bohrhaken auch Gipfelbücher und Gipfelbuchkapseln mitbringen.

Kletterführer
Paules Kletterbibel „Belogradtschik“
Klaus Paul, Alter Schulweg 11, D-01814 Bad Schandau, post@ostharz.info

Routendatenbank, Informationen und Ergänzungen bei www.sandsteinklettern.de

Webinfo
www.belogradchik.info

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